IST HOCHSPANNUNG SCHÄDLICH FÜR DIE GESUNDHEIT?
Die Fakten
Überall wo Elektrizität erzeugt, übertragen oder genutzt wird, können wir elektrischen und magnetischen Feldern ausgesetzt sein. Hoch- und Höchstspannungsleitungen, die zum Transport und zur Verteilung von Elektrizität dienen, tragen ihren Teil zur Exposition – auch Feldbelastung genannt – bei.
Bei der Frage, ob von Stromleitungen eine gesundheitliche Gefahr ausgeht, sind zwei Faktoren wichtig. Der erste ist das elektrische Feld, das die Trassen erzeugen. Es hängt von der Spannung ab, die an den Leitungen anliegt. Es lässt sich leicht abschirmen, schon durch Bäume im Garten und erst recht durch Häuserwände. Das zweite ist das magnetische Feld. Es entsteht durch den Strom, der tatsächlich durch die Leitungen fließt und durchdringt fast alles nahezu ungeschwächt.
Wichtig ist: je weiter Hoch- oder Höchstspannungsleitungen aber auch elektrische Geräte und Leitungen der Hausinstallation vom Menschen entfernt sind, desto geringer ist ihr Beitrag zur Gesamtexposition und desto geringer ist ihr Einfluss auf den menschlichen Organismus.
Elektrische Felder
Elektrische Felder werden vom Erdreich und von gewöhnlichen Baumaterialien gut abgeschirmt. Deshalb spielen sie bei Erdkabeln von 110 kV - bzw. 220 kV - Leitungen keine Rolle, treten aber im Freien in der Umgebung von Freileitungen auf.
Die elektrische Feldstärke hängt vor allem von der Betriebsspannung einer Leitung ab. Unter 380 kV-Wechselstrom-Freileitungen (Höchstspannungsleitungen) können Feldstärken auftreten, die über dem Grenzwert für niederfrequente elektrische Felder liegen. Der international empfohlene Basisgrenzwert für niederfrequente elektrische und magnetische Felder orientiert sich an den natürlichen elektrischen Feldstärken im Körper und an den Schwellenwerten für nachgewiesene gesundheitliche Wirkungen. Für die im Körper erzeugte elektrische Feldstärke ist bei 50 Hertz ein Basisgrenzwert von 20 Millivolt pro Meter festgelegt. Dieser gilt verbindlich nur für Orte, an denen sich Menschen längere Zeit aufhalten können, wie zum Beispiel Wohngrundstücke oder Schulhöfe. Maßgeblich ist, wie der Ort üblicherweise genutzt wird. Bei Hoch- und Mittelspannungsleitungen wird der Grenzwert in der Regel auch direkt unterhalb der Leitungen eingehalten.
Typische Messwerte
für eine 380 kV - Leitung
(Quelle: LfU BW)
Magnetische Felder
Magnetische Felder treten bei Freileitungen und Erdkabeln auf. Sie werden – wie bereits erwähnt - durch das Erdreich oder durch Baumaterialien nicht abgeschirmt und dringen daher in Gebäude und auch in den menschlichen Körper ein.
Magnetfelder entstehen wenn Strom fließt. Weil die Magnetfeldstärke von der Stromstärke abhängt, schwanken die Feldstärken mit den Stromstärken in den Leitungen. Zu Tageszeiten, zu denen viel Strom genutzt oder weitergeleitet wird, ist deshalb auch das Magnetfeld um eine Leitung herum stärker. Die höchsten Feldstärken sind direkt unter Freileitungen und über Erdkabeln zu finden. Mit seitlichem Abstand zu einer Trasse nehmen sie deutlich ab.
Diagramm vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS):
Magnetische Flussdichte an 380 kV Wechselstrom-Freileitungen und Erdkabeltrassen - gezeigt sind Höchstwerte, die unter maximalen Betriebsbedingungen an den untersuchten Trassenabschnitten zu erwarten sind
Der vom Rat der Europäischen Union zum Schutz der Gesundheit empfiehlt einen Höchstwert von 40 Millitesla (1 Millitesla = 1.000 Mikrotesla).
Bei Freileitungen hängt die Feldverteilung vor allem von der Masthöhe sowie vom Durchhang und der Anordnung der Leiterseile ab. Der Durchhang der Leiterseile wird unter anderem vom Abstand benachbarter Masten entlang der Trasse (Spannfeldlänge) und von der transportierten Strommenge bestimmt: Je mehr Strom fließt, desto wärmer werden die Seile. Dabei dehnen sie sich aus und hängen stärker durch. Der gleiche Effekt tritt im Sommer bei hohen Temperaturen auf. Im Winter kann Eis auf den Leitungen dazu führen, dass sie stärker durchhängen. Der geringere Abstand zum Boden kann dann einen Anstieg der Feldstärkewerte zur Folge haben.
Bei Erdkabeln sind die Verlegetiefe, die Kabelanordnung und natürlich die Stromstärke entscheidend für die Magnetfeldstärken und deren Verteilung.
Elektromagnetische Felder als Gesundheitsgefährdung?
Natürliche elektrische und magnetische und elektromagnetische Felder sind auf der Erde allgegenwärtig und besitzen eine essentielle Bedeutung für die Evolution und sind eine wichtige Grundlage für viele Lebensformen. So entstehen elektromagnetische Felder geringer Intensität, wenn menschliche Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark Informationen verarbeiten bzw. austauschen und die Muskeln zu Aktivitäten anregen. Vögel z.B. nutzen das Erdmagnetfeld für ihre Orientierung, wenn sie in die Winterquartiere ziehen. Während Vögel und Reptilien die Magnetfelder über ein Sinnesorgan erfassen, können Menschen allemal deren Auswirkungen wahrnehmen.
Denn elektromagnetischen Felder, welche durch fließenden Strom entstehen, beeinflussen den Körper des Menschen. Elektromagnetische Felder entstehen nicht nur unter den Stromleitungen, sondern beispielsweise auch durch Handys, WLAN oder elektrische Haushaltsgeräte. Mikrowellengeräte oder elektrische Kochfelder emittieren sehr starke magnetische Felder. Die Stärke der künstlich erzeugten Felder ist mittlerweile so groß , dass diese die natürlichen Felder massiv überlagern.
Es wurde mittlerweile durch viele Studien bewiesen, dass diese elektromagnetischen Felder einen Einfluss auf den menschlichen Körper haben. Im niederfrequenten Bereich bis 30 kHz können hohe Feldstärken zur Induktion starker Körperströme führen. Die derzeit geltenden Grenzwerte zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren durch solche Felder sollten so festgelegt werden, dass die bekannten Schwellen für akute Schädigungen durch die Felder, denen die Bevölkerung ausgesetzt ist, nicht überschritten werden.
Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zu den gesundheitlichen Auswirkungen und biologischen Effekten durch niederfrequente Magnetfelder in Relation zur Flussdichte
(Quelle: Neitzke 2006)
Es gibt aufgrund der Befunde in epidemiologischen Studien eine relativ starke wissenschaftliche Evidenz, dass ein dauernder Aufenthalt in niederfrequenten Magnetfeldern zu einem erhöhten Leukämierisiko bei Kindern führt. Das Risiko steigt ab etwa 0,2 µT mit der Höhe der Exposition. Eine erst im Juni 2020 veröffentlichte französische Studie konnte darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen einem Hirntumor, insbesondere dem Gliom und einer dauerhaften unmittelbaren Exposition (<50 m) von Höchstspannungsleitungen feststellen. Bei den anderen untersuchten Krankheiten und Störungen des Wohlbefindens liegen bislang weniger Befunde vor und/oder diese sind weniger eindeutig zu interpretieren. Erhöhungen der Risiken für diese Erkrankungen durch Expositionen gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern werden deshalb nur als 'möglich' klassifiziert. Im Rahmen experimenteller wissenschaftlicher Untersuchungen wurden insbesondere Veränderungen am Erbgut und Einflüsse auf zelluläre Funktionen, wie den Stofftransport und die Auslösung von Zellstressreaktionen festgestellt.
Nach Auffassung der Experten des Bundesamtes für Strahlenschutz reichen die Hinweise aus den epidemiologischen Studien allerdings nicht aus, um als Nachweis einer Ursache-Wirkungs-Beziehung bewertet zu werden.
Trotzdem erkennt die World Health Organization (WHO) das Risiko der niederfrequenten, elektromagnetische Felder und stuft diese als 'möglicherweise krebserzeugend' ein. Das Besondere an elektromagnetischen Feldern ist allerdings, dass das Feld bzw. dessen Stärke sich im Quadrat der Entfernung verringert. Demnach bedeutet ein zehnfacher Abstand von der Leitung nur noch ein Hundertstel des Feldes. 400 Meter Abstand zwischen den Leitungen und Wohnhäusern gelten als sicherer Schutz. Diese Entfernung wird am Ortsrand von Groß Parin allerdings deutlich unterschritten und im Riesebusch werden die Anwohner und Gäste zukünftig täglich unter der erhöhten Strahlung der Hochspannungsleitung spazieren gehen.
Neurodegenerative Erkrankungen sind meist langsam fortschreitende Erkrankungen des Nervensystems mit zunehmendem Verlust von Nervenzellen, die häufig zu Demenz und/oder Bewegungsstörungen führen. Einige epidemiologische Studien deuten auf ein erhöhtes Auftreten von neurodegenerativen Erkrankungen bei starker Exposition mit niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern hin. Es wurde in mehreren Studien ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen (beruflicher) Exposition und Alzheimer Erkrankung sowie amyotropher Lateralsklerose (Erkrankung des motorischen Nervensystems, die zu einer fortschreitenden Schädigung der Nervenzellen führt, die für die Muskelbewegungen verantwortlich sind) festgestellt. Es ist aber nicht geklärt, ob es sich um einen ursächlichen Zusammenhang handelt und welche Wirkmechanismen zugrunde liegen.
Das Risiko, an der Parkinson-Krankheit oder an multipler Sklerose zu erkranken, war durch berufliche Exposition nicht erhöht. Eine epidemiologische Studie an der allgemeinen Bevölkerung aus der Schweiz, der sehr geringe Fallzahlen zugrunde liegen, zeigte ein erhöhtes Risiko für Alzheimer Krankheit bei Personen, die in einer Entfernung von weniger als 50 m zu einer Hochspannungsleitung wohnen. Eine spätere dänische Studie konnte die Ergebnisse nicht bestätigen.
Etwa zwei Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung bezeichnen sich selbst als elektrosensibel, das heißt, sie führen unterschiedliche Beschwerden, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen auf das Vorhandensein elektromagnetischer Felder in ihrer Umwelt zurück. Lange Zeit bezogen sich die Beschwerden vor allem auf die niederfrequenten elektrischen und magnetischen Felder. Seit dem raschen Ausbau des Mobilfunks werden aber zunehmend auch hochfrequente Felder als Verursacher genannt.
In mehreren wissenschaftlichen Studien wird bereits seit Längerem das Phänomen "Elektrosensibilität" untersucht. Dabei wurde z.B. ein Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und elektromagnetischen Feldern festgestellt. Bisher ist es allerdings nicht gelungen, diese von Betroffenen vermuteten pathologischen Zusammenhänge wissenschaftlich fundiert nachzuweisen, weswegen man bislang von einem eher psychischen Einfluss ausgeht.
Ionisation von Luftpartikeln
Die von einer Freileitung ausgehenden Felder sind uneinheitlich, die größten Feldstärken werden allerdings in direkter Nähe zu den Leiterseilen erreicht. Darüber hinaus können auch Spitzen an elektrisch leitfähigen Objekten in der Nähe der Trasse auftreten. Diese starken elektrischen Felder könne zu einem Zusammenbruch der Isolation der sie umgebenden Luft führen. Solche "Korona-Entladungen" führen dazu, dass an den Leiterseilen von Hochspannungsfreileitungen Wolken positiv oder negativ geladener Ionen entstehen, die vom Wind fortgetragen werden können. Dabei "haften" Teilchen aus der Luft an den Ionen dieser Ladungswolken. Eine solche Aufladung kann wiederum zu einer verstärkten Ablagerung von Schadstoffen in der Umgebung von Freileitungstrassen aber auch auf der Haut oder in der Lunge von Menschen in Trassennähe führen. Berechnungen von englischen Wissenschaftlern ergaben, dass bei Menschen, die im Windschatten von Hochspannungsfreileitungen im Freien aufhalten 20 bis 60 Prozent mehr Teilchen in der Lunge abgelagert werden als bei Menschen auf der Luv-Seite. Aber auch innerhalb von geschlossenen Räumen ist mit einer erhöhten Teilchendeposition in der Lunge zu rechnen. Ob der Korona-Effekt zu erhöhten Gesundheitsrisiken beim Menschen führt, ist bislang noch umstritten.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Es gilt als unbestritten, dass die durch den Stromfluss erzeugten elektrischen und magnetischen Felder Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben. Die medizinischen Forschungen hierzu haben bislang noch keine unmittelbaren pathologischen Auswirkungen feststellen können. - Die Furcht vor gesundheitlichen Schäden durch erhöhte Exposition elektrischer und magnetischer Strahlung ist uns damit allerdings noch nicht genommen. Nur weil wir sie nicht sehen oder sofort erklären können, dürfen wir das Risiko damit nicht klein reden!
Wer möchte denn in der Nähe von Höchstspannungsleitungen wohnen, mit dem mulmigen Gefühl, dass weltweit Menschen in der Nähe von Stromtrassen mit erhöhten gesundheitlichen Risiken zu kämpfen haben, aber man weiß noch nicht warum. Reicht uns das aus, um glücklich und sorgenfrei zu leben?
Um mal einen Eindruck davon zu bekommen, wie stark die elektrischen Felder unter einer Hochspannungsleitung sind, stellten sich Bürger eine Bürgerinitiative im Jahre 2013 unter die 380 kV-Leitung nahe dem Umspannwerk Hüttlingen-Wagenrain mit handelsüblichen Leuchtstoffröhren auf und reckten diese gen Himmel. Wie von Geisterhand begannen viele der Röhren zu leuchten, denn die elektrischen Felder unter der Hochspannungsleitung regten den Leuchtstoff in den Röhren.
Wie oben bereits ausführlich beschrieben, haben die elektrischen Felder von Hochspannungsleitungen auch Einfluss auf den menschlichen Körper, auch wenn sie für uns unsichtbar sind. Die Befürworter des Netzausbaus argumentieren, dass es noch keinen wissenschaftlichen Nachweis für die Zusammenhänge zwischen Hochspannung und Leukämie bei Kindern gibt, auch wenn diverse Statistiken dies nahelegen.
Auch der Hinweis auf die Unterschreitung der Grenzwerte lässt uns nicht ruhiger schlafen, denn die gesetzlich festgelegten Grenzwerte für eine Dauerexposition an Niederfrequenzanlagen (50 Hz) liegen bei 100 Mikrotesla und sind nach Auffassung vieler Wissenschaftler zu hoch. Denn internationale Studien belegen, dass schon bei einer magnetischen Dauerexposition von über 0,2 Mikrotesla mit einem erhöhten Leukämierisiko bei Kindern zu rechnen ist.
Quellen:
Moderne Stromnetze als Schlüsselelement einer nachhaltigen Stromversorgung; ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung gGmbH; Silke Kleinhückelkotten & H.-Peter Neitzke; Hannover 2013
Nichtionisierende Strahlung und Gesundheitsschutz in der Schweiz: Grundlagen; Moser M, Plaschy-Gruber S, Meier M, Ryf S, Gerber B; 2006 Contents
Residential proximity to power lines and risk of brain tumor in the general population; Camille Carles, Yolande Esquirol, Maxime Turuban, Clément Piel, Lucile Migault, Camille Pouchieu, Ghislaine Bouvier, Pascale Fabbro-Peray, Pierre Lebailly, Isabelle Baldi; 2020